Über den Stolz, ein Deutscher zu sein

NR. 10       August  2013

Über den Stolz, ein Deutscher zu sein

Der elegantere Weg zur Weltherrschaft

 

Deutsche Panzer und deutsche Waffen überhaupt gehören zu den besten der Welt. Deswegen verkaufen wir sie ja auch mit viel Gewinn an alle, die sie bezahlen können. Krieg allerdings, nein, das wollen wir nicht! Moralisch gesehen, haben wir uns selbst übertroffen. Davon abgesehen halten wir Kriege für ineffizient. Ein deutscher Staatslenker und Feldherr hat bewiesen, dass keine Wunderwaffe ausreicht, um eine ganze Welt unter die Kontrolle einer fanatisierten Nation zu bringen. Nein, solcher Art Krawall gilt heutzutage als pubertär, und Staatsmänner, die sich an Massenvernichtungen ergötzen, gelten als Fälle für die Therapie.

Dominante Menschentypen, wie wir Deutschen, setzen im dritten Jahrtausend auf Bildung, Intelligenz, Effizienz. Das kann man noch mit ein paar antiquierteren Tugenden wie Disziplin, Perfektionismus und Leistungsbereitschaft aufmischen. In diesem Zusammenhang kann man auch schon einmal den Begriff Leitkultur ins Spiel bringen, aber in einer angemessenen Dimension. Andererseits: eine gewisse Bescheidenheit als Tarnung ist nützlich.

Nein! Nur keine Angst! Wir Deutschen sind ganz harmlos geworden. Tatsächlich sind wir jetzt so sensibel, dass wir die Leiden anderer Nationen spüren, als geschähen sie uns selbst. Lasst Euch sagen, liebe Mitbürger in aller Welt, es muss nicht so sein, wie es ist (mancherorts natürlich nur), es geht auch anders. Mit Verstand, Vernunft, Durchblick und dem nötigen Fachwissen ist die Beseitigung von Missständen nur eine Frage der Willensstärke.

Eigentlich wollen wir Euch nicht einmal belehren (Goethe, Einstein und Plank hätten heute bei uns auch nicht mehr viel zu melden), nein, und mit Kultur wollen wir euch auch nicht belästigen. (Geht ja auch gar nicht. Wir haben ja selbst kaum noch welche)

Nein, wir haben gelernt. Nein, wir wollen Euch nichts nehmen! Nein, wir werden Euch keine Nummern auf den Arm tätowieren oder Eure Kinder als Blutwurst vernaschen.

Wir wollen nur eines, dass Ihr besser werdet. Wir wissen, wie das geht. Optimierung ist das Schlüsselwort. Ich bin ein Teil dieser wundervollen Nation und weiß, wovon ich rede. Optimierung ist ganz einfach, wenn man die nötige Intelligenz besitzt, das zu begreifen. Optimierung ist qualifizierte Anpassung an sinnlose Zustände. Und Intelligenz ist, auf die Frage nach dem Warum zu verzichten. Die Gesellschaft ist eine Maschine, und wenn es dem einzelnen Zahnrad gut gehen soll, muss die Maschine perfekt laufen. Das ist doch logisch!

Nein, wir werden niemanden zu seinem Glück zwingen, niemals, aber einzusehen, dass alles noch viel besser funktionieren könnte, wenn alle Mitspieler Qualitätszahnräder wären, dürfte wohl nicht zu viel verlangt sein. Für alle, die das nicht so ganz verstehen und einsehen wollen, noch ein ganz heißer Tipp: Man kann ja auch ein Doppelleben führen. Im Lichte des Tages so optimiert wie der neueste Chip von Intel und im Schatten der Nächte ein ganz Wilder. (Drugs, Internetsex, Orgien aller Art, ihr wisst schon) Also, nur keine Angst, lasst Euch die Einmaligkeit Eurer Existenz mit Tätowierungen  bestätigen, ergötzt Euch vor der Glotze oder treibt Sport bis zur Besinnungslosigkeit. Hauptsache Gesund leben. Kauft Euch die Hucke voll und legt den Spargroschen in Aktien an! Alles Okay! Das aber bitte im Modus der absoluten Perfektion. Optimiert Euch bis zum Anschlag. Wer das nicht hinbekommt, kann zum Äußersten greifen. Schaltet einfach jegliches Bewusstsein aus. Zahnräder und andere Funktionsträger arbeiten nach Programmen und nicht nach Erkenntnis. Tut es! Ihr werdet Euch fantastisch fühlen.

U.M. Hammer

Das imaginäre Museum

NR. 9       Juli  2013

Das imaginäre Museum

Gesegnet sei das digitale Gedächtnis der Menschheit

 

Der Basiscode ist so einfach wie genial. Wir haben ihn den Indern zu verdanken. Sie erfanden die Null. Die Null und die Eins, 0 – 1, Strom an oder aus, das sind die Bausteine, die Atome des digitalen Datenuniversums.

So unauffällig wie es begann, hat sich aus der Recheneinheit 0 / 1 eine eigene Codewelt, ein elektronisches Speicher- und Rechenmonster entwickelt, vor dessen Datenhunger nichts aber auch gar nichts im Mikro- wie im Makrokosmos sicher ist.

Das Monster samt seinen humanoiden Handlangern kennt keine Gesetze außer seinen eigenen, keine Scham,  keine Tabus, keine Grenzen. Es verhält sich ein wenig wie Frau Müller, die in den spießigen Fünfzigern den ganzen Tag über hinter der Häkelgardine saß und mit dem Upgraden und Auswerten ihres persönlichen Datenkatalogs beschäftigt war.

Die Meyers: neues Auto – von welchem Geld? –  Die Hintze: Besuch von Studienrat Kramer –  Die Schröder: schon wieder einen neuen Pelz. – 

Frau Müller war so unbeliebt wie die Monstermaschine heute. Letztere übertrifft Frau Müllers Gedächtnis mindestens um den Faktor eine Billiarde. Das ist so erschreckend wie faszinierend.

Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet: Wollte der moderne Mensch nicht zu Millionen und Milliarden in das Licht der elektronischen Öffentlichkeit? Wollte nicht jeder ein digital komprimierter Star in seinem Facebook Königreich oder ein Rankingvirtuose bei Google werden, rote Fahnen ins Netz setzen, die genau in seine Richtung zeigen und sagen:

„Hier! Hier bin ich! Folge dem Link! Klicke auf…!“

Und da zeigt sich die dunkle Seite der Matrix. Obskure Mächte verwalten das Megagedächtnis, Agenten, die Kopien von allen Informationen herstellen, die sie in ihren Speichern lagern, die alles und noch mehr wissen wollen. Ja, die gibt es wirklich, aber die Informationen werden von Programmen gelesen und von Logikschaltungen bewertet. Wenn das Programm sich für eine Laboranalyse meiner Exkremente interessiert, ist das nicht persönlich gemeint, sondern dient einem Pharmakonzern zur Verbesserung seiner Produktlinie. Eines Tages wird sich das alles verselbstständigen. Die große Maschine wird sich selbst verbessern und weiter verbessern. Kein Mensch muss sich noch damit beschäftigen. Niemand interessiert sich mehr für Details. Von Zeit zu Zeit spuckt sie komprimierte Expertisen aus, die nur noch von ein paar Generälen und Minister gelesen werden. Weiter in der Zukunft gibt sie nur noch kurze Hinweise, wie man einen Kriegsherd in Asien in drei Stufen deeskaliert, oder wie eine Hungersnot in Afrika durch effektive Wetterbeeinflussung abgewendet werden kann.

In der utopischen Epoche schließlich hat man den ursprünglichen Zweck der Big Brother

Maschine schon lange vergessen. Sie speichert noch immer, denn sie ist das Gedächtnis der Menschheit geworden. Sie schreibt und schreibt fort am größten Lexikon der Geschichte. Manchmal erzählt sie eine Anekdote aus ferner Vergangenheit. Ein Tag aus dem Leben eines Mick Jagger oder Hans Meier. Manchmal singt sie eine Melodie oder rezitiert ein selbstverfasstes Gedicht wie: Träumend Singsang, Trinkend Zeit, verhallter Klang, Rom ist verschneit.

U.M. Hammer

 

KRIEG ODER KUNST?

NR. 8       Juli  2013

Krieg oder Kunst?

Pazifismus im Zeichen der  Computerspiele

Hartnäckig hält sich ein Gerücht: Künstler sind antibürgerlich und eigentlich überflüssig, aber wenigstens sind sie feinsinnig und von pazifistischem Gemüt. Krieg und Kunst sind nun einmal unvereinbare Gegensätze. Nein, ich muss widersprechen: Hatte ein Beuys nicht  immer wieder mit Stolz auf seine angebliche Karriere als Jagdflieger hingewiesen? Und ist ein Anselm Kiefer nicht mit verkleinerten B 52 Bombern aus Blei zu Weltruhm gelangt? Hat nicht eine Nicki St. Phalle  mit Begeisterung Gewehrkugeln auf Farbbeutel verschossen? – Auf der anderen Seite: Wie viele Feldherren haben sich mehr als Künstler, denn als Massenmörder gesehen? Einzig die Soldaten in den Schützengräben hätten gut auf die blutrünstige Actionkunst verzichten können. Und für die Feingeister ist es der ekelerregende Anblick zerfetzter Körperteile, der sie davon abhält, sich aus vollem Herzen an der Schlachtengestaltung zu beteiligen.

Nach drei Jahrzehnten digitaler Evolution hat sich die Kriegskunst endlich zu einer echten  Kunst mit gänzlich neuen ästhetischen Vorgaben entwickelt. Der Krieg ist sozusagen stubenrein geworden, ist in ungeahnte intellektuelle Höhen aufgestiegen und eröffnet dem Virtuosen nie zuvor gekannte Spielfelder. Selbst Schreckhafte und Blutallergiker können sich jetzt in touristischer Vergnügungslaune auf  Kriegschauplätze in exotischen Welten beamen, seit die Waffensysteme per Mouseklick aus der Toolbar gewählt werden.

Mein pubertierender Sohn, das kann ich jetzt schon sehen, wird einmal ein ganz Großer unter den Kriegskünstlern im Cyberspace. Stundenlang in optimaler Konzentration auf das Display starrend, ist er in wenigen Monaten zu einem Meister im Handling von Battlefield und World of Tanks geworden. Gäbe es ein Fachabitur in diesen Disziplinen, würde er es mit Leichtigkeit bestehen. Jubelschreie gellen durch die Wohnung, wenn er gerade einen Stadtteil in den Erdboden versenkt hat. – Neulich erst hat er mir beigebracht, wie man eine Lastwagenkolonne per Joystick ins Visier nimmt und so nahe heran zoomt, dass der erste Treffer gleich eine Komplette Kompanie aus dem Datensatz löscht. 

Ich habe ihm zu erklären versucht, dass die großen Jungs vom Pentagon und von der Nato nichts anderes machen, nur dass sie ganz reale Drohnen mit ihren Joysticks steuern. Tausende Kilometer vom Ort des echten Schreckens entfernt, krempeln sie ihre Hemdsärmel hoch, schlürfen ihren Milchkaffee und navigieren ihre echten Raketensprengköpfe mit maximaler Perfektion ins Ziel. Echte Häuser zerbröseln zu Staub, echte Körperteile fliegen durch die Luft, und echtes Blut spritzt über das Gemetzel. – Mein Sohn hat nur gelacht. „Das ist doch irre, ich hab drei Panzer mit einem Schuss zermatscht!“ – „Und was ist mit den Soldaten in den Panzern?“, habe ich nachgefragt. – Er hat die Frage nicht gehört. Weitere Panzer preschen aus dem Schlachtennebel ihrer  digitalen Auslöschung entgegen. „Stör mich nicht!“, war die einzige Antwort.-  Ich bin sicher, wenn er so weitermacht, wird ein echter Künstler aus ihm werden.

U. M. Hammer

Demokratie – oder ein Fest der Freiheit

Kurzmitteilung

u.m. Hammer´s Zeiteist

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NR. 7       Mai 2013

Demokratie oder ein Fest der Freiheit

Zum 2500sten Jahrestag der Erfindung der Demokratie -eine Reportage

 

Meyers Taschenlexikon – Demokratie (griech. „Volksherrschaft“) – Kleisthenes (513 vor Christie) wird als der Urheber der Demokratie angesehen.

 

Tausende, Hunderttausende, Millionen in Verzückung. Die Zeppeline schweben in die Arena ein. Sie tragen die Logos der Sponsoren: Adidas, Deutsche Bank, Daimler, Monsanto, VW und Microsoft, um nur einige zu nennen. Jetzt dröhnt es aus den Lautsprechern: „Ihr seid ein glücklich Volk von Demokraten. So lasst uns feiern jetzt. Hoch lasst sie leben, die Demokratie, das Paradies auf Erden.“

Fanfaren, Geigen, Tuben, Kontrabässe, des Volkes Stimmen jetzt im Chor vereint. Wir singen die Nationalhymne. Es greift ans Herz. Nicht nur mir. Altkanzler Schröder reibt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Auf seinem Taschentuch kann ich ein Portrait von Putin erkennen. Ein Gitarrensolo schwingt sich über die Jubelchöre, fast wie von Jimmy. Das Woodstock der Demokratie und Demokraten. All die Sieger von DsdS, Voice of Germany und European Song Contest sind jetzt im Chor vereint. Der Gesang schwillt an. Ekstase ist die Norm. Ich sehe auf dem Monitor, wie Peer und Claudia sich in die Arme fallen.  Fantastisch! Das Display, groß wie ein halbes Fußballfeld, ist Sonys Dankeschön an die Demokratie und die globale Marktwirtschaft. Gerade wechselt das Bild zu einer Werbeeinspielung von Gentech Germany. Brilliante Wiedergabe in HD. Von der Leyen kreischt vor Vergnügen auf. Livegeburt vor laufenden Kameras. Da. Jetzt flutscht es aus dem Schoß, das Baby weiblichen Geschlechts. In Sekunden ist es schon Bannerträgerin der Jungen Union, dann Abgeordnete im Parlament der Demokraten und, kaum zu glauben, Ministerin für Geburtenbeschleunigung.

„Demokratie! Demokratie!“, jubelt es von den Tribünen.

Der Präsident streckt die Hände gen Himmel. Vibrato in der Stimme: „Freiheit! Freiheit!“

Der Chor: „Freiheit, schöner Götterfunke!“

Orgelcluster branden auf. Ich kann nicht sehen, wer die Tasten drückt. Schmidt, Scholl-Latour, Lanz oder Grönemeyer?

Jetzt wieder der Präsident: „Wohlan mein Volk! Brot und Spiele für die Freiheit. Freiheit, höchstes Gut auf Erden.“

Die Ministerin für Soziales ergänzt: „Brot für alle! Freibier für ein einig Volk der Demokraten!“

Was ich sehe übertrifft jede Fantasie: Zigtausende Liter Bier strömen in die Arena. Die Werbedisplays strahlen auf: Reines Bier mit reinem Wasser von Nestlé.

Die ersten Galeeren steuern ins Zentrum des maritimen Spielfelds. Das mediterrane Sonnenlicht dazu ist eine P.R. Aktion von REW. Frenetischer Applaus. Der Kommentar aus den Lautsprechern: „Die Schlacht von Lepanto. Eine Musicalproduktion von Viva und Arte.“

Ein Europaminister: „Das haben alles die griechischen Reeder bezahlt.“

Die Kanzlerin ergänzt: „Als Wiedergutmachung für die Steuerflucht.“

Der Präsident: „Nur in Freiheit kann nichts schöner als die Freiheit sein.“

Jubel von den Rängen der Europaabgeordneten. An den Rudern der Galeeren, Hartz 4 Betrüger, Salafisten, Fleischesser, verschleierte Integrationsverweigerinnen und Asylschmarotzer als lebende Fackeln. Bengalische Lichter im Walzertakt. Für die Nachwelt alles schnell mit Ölfarben auf Leinwand gepinselt vom neuen Dekorationsminister Professor Lüppertz. Die Grünen werfen Biomüll Marke Tengelmann auf die Darsteller. Von den Hinterbänken Bravogeschrei der Parteisoldaten aus den Provinzen. Jetzt, mir stockt der Atem: der Chefredakteur von Stimme des Volkes schwingt das Metzgerbeil. Blutspritzende Köpfe stürzen in das Meer aus wogendem Bier. Vielleicht sind es auch nur Karnevalsmasken aus chinesischer Produktion. Roberto Blanco singt aus voller Kehle: „Deutschland, Deutschland, über alles, und ein bisschen Spaß muss sein.“

Jetzt: Guttenbergs Herz fliegt auf die Tribüne. Eine Leber von Hoeneß, Gedärme von Wulff und das Skalp von Schavan. Der Präsident singt mit: „Freiheit, Freiheit, und ein bisschen Spaß muss sein. Präsident zu sein, ja das ist fein.“

Fanfaren des Jubels. Wowereit schleudert bunte Papierflieger in den Himmel und wirft Air Berlin Aktion ins Volk. Gysi tanzt Tango mit Westerwelle. Chinesische Glückskatzen explodieren am Firmament und Wagenknecht rezitiert aus Armanis Stilkunde. Welch ein Spektakel. Das ist deutsche Kultur, deutscher Humor und deutsche Technik. Das sollen uns die Griechen mit ihren lächerlichen Tragödien erst einmal nachmachen! Tausende japanischer Demokratietouristen zücken ihre Kameras. Blitzlichtgewitter und Gruppenbild mit Würdenträgern aus der Geld-, Politik- und Freiheitsindustrie.

Roberto ruft der Kanzlerin zu: „Ein bisschen Spaß muss sein!“

Jemand neben mir raunt mir etwas ins Ohr. Es ist der Staatssekretär für Realitätskontrolle: „Glauben Sie niemandem! Alles ist möglich, nichts ist wirklich.“

U.M. Hammer

HABEMUS PAPAM

u.m. Hammer´s Zeiteist

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NR. 6       März. 2013

Habemus Papam

 

Die Rettung der christlichen Weltkirche hat einen neuen Namen: Franziskus

 

Kühnste Hoffnungen sind erweckt. Er beruft sich auf  Franz von Assisi! Sean Connery spielte in dem Film „Der Name der Rose“ einen gelehrten Franziskaner Mönch, wie er zu seiner Zeit als typisch gelten könnte. Die Franziskaner erhoben ihre Stimme gegen die Prasserei der Kirchenfürsten, legten sich gerne mit dem Papst an und schätzten den Wahrheitsgehalt von Wissenschaft und Philosophie.

Ein Papst, der sich Franziskus nennt! Das hat es vorher noch nicht gegeben. Nomen est omen?  Den Armen will er Hoffnung sein auf ein Ende der Armut, und Muslimen wäscht er die Füße.  Ist er der lang erwartete Messias des Age of Aquarius? Wird jetzt bald alles anders? Ist das der Anfang des Zeitalteres von Love und Peace? Und was ist mit dem Glauben? Was hat Religion mit den Ungerechtigkeiten der diesseitigen Welt zu tun? Was ist mit dem Bewusstseinszustand jener Geschöpfe des Schöpfers, die von der Kirche traditionell zur Krone der Schöpfung erhoben wurden. Und was hat das alles mit Franz von Assisi zu tun?

Ein versponnener Exzentriker, der sich einbildete, mit Tieren wie mit Menschen reden zu können, war der Namensgeber der Franziskaner ganz sicher nicht. Mit Tieren, mit Pflanzen, mit Wolken, Meereswellen und mit Bergen und Steinen zu reden, war für die Philosophen und Gottsucher im Mittelalter keine folkloristische Attitüde, sondern der ernstgemeinte Versuch, mit dem Universum, dem Kosmos, der Natur samt ihren Geheimnissen in Dialog zu treten und keinen Aspekt der Natürlichkeit auszulassen. Rückwirkend gesehen, war Franz von Asissi ein zeitlos moderner Denker, dessen Weltverständnis den  Erkenntnissen heutiger Naturwissenschaft erstaunlich nahe lag. Soviel ist sicher: ein heutiger Papst, der sich mit einem Franziskus messen wollte, wäre Kosmologe, in der Kurie säßen Quantenphysiker und Neurobiologen, und gedankliche wie moralische Tabus wären nicht denkbar.

Davon abgesehen wäre von einer Kirche, die den Anspruch einer authentischen spirituellen Institution erhebt, spirituelle Inspiration zu erwarten. Ich möchte wissen, warum ich auf der Welt bin, wo und wie ich nach Gott oder dem Göttlichen zu suchen habe, was der Tod zu bedeuten hat, und wie ich mich in einen Einklang mit der Existenz begeben kann, der mein Leben sinnvoll macht. Die extremen Ungleichgewichte in der neuen globalen Gesellschaft sind lediglich ein Spiegel für den kollektiven Mangel an Lebenssinn außerhalb der Befriedigung materieller Bedürfnisse. Wird Papa Franziskus schaffen, was Buddha, Jesus, Laotse, Mohammed, dem Dalai Lama, Bagwan, Maharishi und tausend anderen Propheten eines goldenen Zeitalters des Friedens, der Liebe und des Mitgefühls misslungen ist?

U.M. Hammer

u.m.

Die große Müdigkeit – gähnen im Kollektiv

Kurzmitteilung

Das Hammsterrad und die Bedeutungslosigkeit der permanenten Daseinsproduktion

 

Offen gebe ich zu: Ich interessiere mich für gar nichts mehr. Das Leben ist einfach zu anstrengend: Wenn man arbeitet, wenn man Kinder groß zieht, wenn man ein Erbe zu verwalten hat, wenn man nebenbei noch seine Krankheiten organisieren, die Artefakte seiner Hobbys verlisten, Reisefotos sortieren, Kataloge studieren oder die Facebookfreunde über eben all diese Unbilden in formieren muss.

Was man so alles um Ohren hat, als moderner Mensch! Von der permanent zum Scheitern verurteilten Selbsverwirklichung gar nicht zu reden. Was wollte man nicht noch alles zuwege bringen? Ein Instrument erlernen (Cello oder Klavier), oder eine Zusatzsprache (Italienisch, Latein oder Chinesisch). Und dann noch der Kochkurs mit Witzigmann. Aryurvedamassage, Drachenfliegen, und, und, und. Das muss alles vorm Sterben auf die Reihe gebracht werden, und dabei bleibt immer noch die Hälfte auf der Strecke: Ein Buch muss auch geschrieben werden, ein Krimi aus der Region oder eine Beratungsbroschüre für Heilschlafübungen. Die selbstgespachtelten Ölbilder nach der Bob Ross Methode müssen am Wochenende beim Italiener im Einkaufszentrum aufgehängt werden. Wie soll man das bloß alles schaffen? Himmel Herrgott, macht das alles müde! Stress, Erschöpfung, Burnout, Burnin. Burn, burn, burn… (Hat das nicht einmal jemand gesungen? Ein Rockstar aus den Sechzigern?) Wie haben die Leute das früher nur auf die Reihe bekommen, als die Milch beim Kaufmann noch langwierig abgezapft und in der Milchkanne nach Hause getragen werden musste?

Ja, ich gebe es zu: ich bin ein Teil dieser Welt. In Wahrheit sind mir meine Mitmenschen völlig egal geworden. Es gibt ja auch zu viele davon. In Wahrheit interessiert mich die neue CD meines Freundes, Heinz, nicht im Geringsten, oder das selbstgeschriebene Buch meiner Nachbarin über Katzenpsychologie. Ich sage, sehr schön, und denke: Lass mich bitte mit dem Mist in Ruhe! Dann die Vernissage eines anderen Freundes (grottenschlechte Mondrianimitate)! Ich sage: Sehr begabt! Weiter so! Ich denke: Mein Gott, wie peinlich! Ich unterdrücke mein Gähnen. Schon um zehn Uhr abends fallen mir die Augen zu. Erst ein wenig später gehen sie wieder auf, wenn mein wahres Leben beginnt, wenn all die Müdigkeit verfliegt, wenn ich den Fernseher einschalte und ich endlich mein wahres Leben leben kann, wenn Neo Rauch auf Arte über seine Bilder redet, wenn der junge Elvis P. in einer Doku ein Gitarrenriff vorführt,  wenn Christian Kracht ein paar Sätze aus seinem neuen Roman liest, oder wenn Dieter Moor von einer Lichtperformance in New York berichtet. Wie macht er das nur, der Dieter, der Moor? Nie sieht er übermüdet aus. Burnout? Nicht die geringsten Anzeichen. Und dabei müsste er wirklich eine Menge auf dem Erledigungszettel zu stehen haben.